YOGA-VICHARA

Yoga-Vichara

Die klassische Yoga-Praxis vom stabilen Körper (Asana), dem dynamischen Atem (Pranayama) & dem stillen Geist (Pratyahara), realisieren wir in Yoga-Vichara durch den praktischen Ansatz von Asana (Körper), Mudra (Raum) & Pranayama (Atem). Das mag sinnvoll sein da die nötige verstandene Feinheit für die erfahrbare Stille in Pratyahara für lange Zeit flüchtig scheint und im Raum verborgen liegt den Mudra zu öffnen vermag.

Der stabile Körper öffnet den dynamischen Raum der vom stillen Atem erfüllt wird. Dies ist ein möglicher Ansatz in dem der klassische Anspruch praktisch realisiert werden kann ohne zu verwässern oder, im anderen Extrem, kaum erfüllbaren Vorraussetzungen zu unterliegen.

Diese gröbere (jedoch dem gleichen Grundmuster unterliegende) Praxis bietet somit einen real-authentischen Ansatz uns in die Vollständigkeit des Yoga hineinzuleben, zu verfeinern und zu verstehen. Das allem unterliegende Grundmuster, dessen Verständnis und Integration das Ziel aller Yoga ist, beruht auf den attributiven Qualitäten von Stabilität, Dynamik & Stille, deren Interaktion die Gesamtheit unserer wahrnehmenden Natur, sowohl äusserlich (universell) als auch innerlich (individuell), ausmacht.

In den Yoga-Sutren werden diese Qualitäten ’Sthiti, Kriya & Prakasha’ (wörtlich Stabilität, Aktivität & Luzidität) genannt, während sie im Volksmund als ’Tamas, Rajas & Sattva’ bekannt sind. Sie sind das kosmologische Urmuster der Evolution, deren Charakter das unterscheidbare aber nicht trennbare Gewebe des Phenomenalen ist. Deren ’Dreifaltigkeit’ immer umfassender und integrativer zu verstehen und zu begreifen ist der Zweck des Yogaweges.

Diese Qualitäten enteprechen sowohl der Gesamtheit unserer Person und Praxis als auch deren einzelne Glieder: Asana steht allgemein für Körper & Stabilität und braucht die Dynamik des Atems und die Stille des Geistes um verwirklicht zu werden. Pranayama steht für Atem & Dynamik und braucht den stabilen Körper und stillen Geist um erfahren zu werden. Pratyahara steht für Geist & Stille und braucht den bewegten Atem um stabil verkörpert zu werden.

Die Praktiken von Asana, Mudra & Pranayama symbolisieren dies durch die stabile Öffnung des Körpers, des dynamischen Raumes und des stillen Atems.

Somit ist jede persönliche Praxis (Asana, {Mudra}, Pranayama, Pratyahara) eine Praxis dieser Qualitäten (Stabilität, Dynamik, Stille) auf diversen Ebenen (Körper, {Raum}, Atem, Geist). Das empirische Erfahren und Verstehen dieser Qualitäten durch gelebte Praxis birgt das Verständnis unserer eigenen als auch unserer umgebenden Natur in sich…das was ich zwar nicht bin, mich aber ausmacht.

Die elementare Dehnung in Asana dient der stabilen Öffnung der Hüfte (im Stehen, Vorwärts-, Seitwärtsdehnung und Drehung), der dynamischen Öffnung der Schulter (Rückdehnung und Umkehrung) & der stillen Öffnung des Spine (nabelbewusste Atementfaltung in allen Asanas), welches die Hauptstrukturen des Körpers sind. Diese Öffnung befreit uns von körperlichen Zwängen und ermöglicht unsere natürliche persönliche Bewegungsfreiheit; die äusserlich zwar individuell variiert, innerlich jedoch dem gleichen universellen Muster unterliegt. Das schwerelose Gefühl eines sich verlängernden Spine und die zwanglose Entfaltung des Atems machen die Richtlinien der asanischen Dehnung aus. Verallgemeinernd könnte man sagen das alle Asanas die in der ‘persönlichen’ Reichweite von Hüfte, Schulter & Spine liegen ‘basic’ sind und die Asanas wozu wir eine erweiterte Reichweite benötigen als ‘advanced’ gelten; solche groben Unterscheidungsnotwendigkeiten verlieren sich jedoch mit wachsender Reife. In Asana liegt der Schwerpunkt im Körper und seinen ganzheitlichen Aspekten von Raum & Atem.

Mudra ist die Praxis der stabilisierenden Bandhas (Mula-, Nabhi-, Uddhiyana-, Jalandhara), der dynamisierenden Kriyas (Agnisaris & Naulis) und des stillen Atemflusses von Ujjaya. Dies geschieht stehend in Uddhiyanabandhasana und in anvisierten festen Sitzstellungen wie Vira- oder Padmasana. Die stabilisierenden Kontraktionen der Bandhas etablieren die diversen Ebenen des körperlichen Raumes, die dynamischen Aktionen der Kriyas aktivieren ihn und der stille Atemfluss von Ujjaya erfüllt diesen Raum. In Mudra liegt der Schwerpunkt im Raum des Körpers, der Asana etabliert und Pranayama initiiert.

Pranayama ist die Praxis der stabilen Einatmung (Puraka), des dynamischen Übergangs (Kumbhaka) und der stillen Ausatmung (Rechaka). Der Leitfaden ist unsere persönliche Atemsäule die wir über die stabile Öffnung des Körpers (Asana) und Etablierung seines Raumes (Mudra) entdecken und entwickeln. Zwischen Beckenmittelboden und Innenkehle fliesst der gefühlte pranayamische Atem gelenkt vom Nabhi-, getriggert vom Mula- und hochgezogen ins Jalandhara-bandha. Diesen Atem entlang dieser Säule natürlich rhythmisch zu verlängern und verfeinern, mit maximierender Atemdauer und minimierender Atembewegung, ist die Kunst des Sahaja-Vritti. Die Entwicklung des Sahaja-Vritti bestimmt die Kapazität unseres Atems im Pranayama; diese kann zweifach variiert (Visama-Vritti & Sama-Vritti) und vielfach moduliert (wechselnde Nasenlöcher, Mund- Nasen- Kehlatmung, Tonvibration, Intention etc.) werden. In Pranayama fliesst der Schwerpunkt im Atem, verkörpert durch seinen ermöglichenden Raum.

Folglich handelt es sich um eine ein- bzw. ganzheitliche Praxis, die sich persönlich durch den jeweils momentan überwiegenden Schwerpunkt ausdrückt – mal mehr körperlich, mehr räumlich oder mehr respirativ, jedoch immer integrativ.